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Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2020-04

Bibliografische Daten

fullscreen: Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2020-04

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Kultur
Untertitel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft
Publikationsort:
Dornbirn
Verlag:
Verein KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048
Strukturtyp:
Band
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2020-04
Veröffentlichungsjahr:
2020

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048_2020_04

Artikel

Strukturtyp:
Artikel
Autor:
Fischer, Peter
Titel:
Wie die Schwächen unseres Schulsystems in Notzeiten noch offensichtlicher werden
Beteiligte Personen:
Fischer, Peter

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Kultur
  • Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2020-04
  • Titelseite
  • Inhaltsverzeichnis
  • Corona-Krise - weit mehr als eine Krankheit
  • "Wir merken, wie sensibel das Gesamtgefüge ist"
  • Warten auf das Publikum
  • So geht exponentiell
  • Geschlossene Theater
  • Ohne live erfahrbare Musik verdorrt die Seele
  • "Das Land steht zu den Kulturveranstaltern ..."
  • Musik als sinnstiftendes Überlebensmittel
  • Corona und die Zukunft
  • Ausstellungshäuser scharren in den Startlöchern
  • "Von 120 auf null, ansatzlos!"
  • Shutdown setzt Vorarlbergs Museen teils schwer zu
  • Abgesagte Kulturfestivals
  • Jazz lebt von Kommunikation und Live-Erlebnis
  • Die Serengeti und das Große Walsertal
  • Wissen Sie noch, was am 8. März 2020 los war?
  • Von "Akurat" bis "Dornbirn plus" - alle ehren die Barockbaumeister
  • Bäume wie Rasierpinsel
  • Ein Lied geht um die Welt
  • Bildung durch digitale Kulturarbeit
  • Wie die Schwächen unseres Schulsystems in Notzeiten noch offensichtlicher werden
  • Ein Konzeptalbum zu Ehren der alten Scheiben
  • CD-Tipps
  • Vorletzte Seiten

Volltext

56 Kultur Mai 2020 
Vielleicht empfinden es einige in dieser Ausnahmesituation, 
bedingt durch die Corona-Pandemie, als Zumutung oder de- 
platziert, die Finger auf die Wunden und Schwächen unse- 
res Bildungssystems zu legen . Aber gera de in Krisensituati- 
onen sind für mich die Schwächen, die Diskriminierungen, 
die sozialen V erwerfungen und die Selektionsmechanismen 
in der Bildungslandschaft leid er viel zu gut sicht- und spür- 
bar. Anstatt diese zu ig norieren, wie das seit Jahrzehnten 
passiert, müssten nach den Erfahrungen in dieser Extrem- 
situation unbedingt radikale Änderungen v orgenom men 
werden. Die Pseudoreformen der letzten Jahre waren letzt- 
lich nur kosme t ischer Art und haben gerade für die sozia l 
schwächsten Kinder und Jugendlichen mehr oder wen iger 
nur V erschlechterungen gebracht. 
Evidenzbasierte Forschungsergebnisse gibt es zur Genüge 
Andererseits gäbe es evidenzbasierte F orschungsergebnis- 
se, die die Bildung bzw. Ausbildung an unseren Schulen ef- 
fizienter und nachhaltiger machen würden. Es ist sehr zu 
hoffen, dass die politischen Bildungsverantwortlichen end- 
lich wachger üttelt werden! Reformvorschläge gibt es zur Ge- 
nüge. Einen möchte ich beson ders hervorheben – den renom- 
mierten Entwicklungsbiologen und Hirnforscher Prof. Dr. 
Gerald Hüther. In seinem neuesten Buch #EDUCATION FOR 
FUTURE1 
macht er visionäre und praktikable Vorschläge. Es 
ist äußerst lesenswert – vorausgesetzt, man lässt sich auf 
seine beinahe revolutionäre Gedankenwelt und seinen un- 
bändigen Bildungsreformwillen ein. Als Reformpädagoge 
möchte ich auch betonen, dass Hüther sehr viel von dem 
aufgreift und bestätigt, was die Reformpädagog*innen, egal 
aus welcher reformpädagogischen Richtung kommend, 
schon seit vielen Jahrzehnten, meistens leider unbedankt 
oder von totalitären Reg imen abgeschafft, praktiziert haben 
bzw. immer noch umsetzen. Allen gemeinsam ist, dass sie 
die K inder und Jugendlichen als „Subjekte“ im Fokus haben 
und nicht als „Objekte“, wie es Hüt her formuliert. Doch da- 
von sp äter ausführlicher. 
Zum Teufel mit der Selektion und der Ziffernnote in der 
Volksschule 
Ich werde nicht müde zu erwähnen, dass unser Schulsys- 
tem äußerst selektiv und diskriminierend ist. Soziale Dis- 
kriminierung ist für mich schulsystemimmanent. Es darf 
einfach nicht sein, dass die Herkunft, der Bildungshinter- 
grund der Eltern und der soziökonomische Stat us des Eltern- 
hauses ent scheidend sind für die Bildungschancen der Kin- 
der und Jugendlichen im öffentlichen Schulsystem. Mit der 
willkürlichen Selektion der zehnjährigen K inder in Gymna- 
sium-Reife und Mittelschul-Reife verstößt der Staat gegen 
den Gleichheitsgrundsatz und gegen die Kinderrechte. Zu 
dieser willkürlichen Selektion gehör t für mich auch die Pra- 
xis der Ziffernnoten. Sie ist und bleibt in dieser Form ein 
Selektionsinstrument! Apropos Gesetzesverstoß: Laut 
Schulunterrichtsgesetz ist ein „Sehr gut“ bzw. ein „Einser“ 
folgendermaßen definiert: 
„§ 14. (2) Mit ‚Sehr gut‘ sind Leistungen zu beurteilen, mit de- 
nen der Schüler die nach Maßgabe des Lehrplanes gestellten An- 
ford er ungen in der Erfassung und in der Anwendung des Lehr- 
s toffes sowie in der Durchführung der Aufga ben in weit über das 
W esentli che hinausgehendem Ausmaß erfüllt und, wo dies mög- 
lich ist, deutliche Eigenst ändig k eit beziehungsweise die F ähigkeit 
zur selbständigen Anwendung seines Wissens und Könnens auf 
für ihn neuartige Aufga ben zeigt.“ 
Mehr oder wen iger alle öffentlichen Bildungseinrichtun- 
gen – von der V olksschule bis zur Universität – handeln ge- 
gen das Gesetz, weil sich die allerwenigsten Pädagog*innen 
bei der Vergabe von Einsern an diese gesetzliche Definition 
halten. Daher ist es für mich absurd, wenn die Bildungsdi- 
rektionen den Volksschullehr*innen, die die aufwändigen 
alternativen Leistungsbeurteilungsformen a nw enden woll- 
ten, Gesetzesbruch vorwerfen und mit Sanktionen d rohen. 
Stattdessen sollten sie deren Engagement würdigen und 
unterstützen und andere Schulen bzw. Pädagog*innen zur 
Nachahmung animieren. Auch sollten sie die Notenwillkür, 
den Kuhhandel und die untragbare Beurteilungssituation in 
den vierten Klassen der Volksschulen genauer unter die Lupe 
neh men und nicht im vorauseilenden Gehorsam gegenüber 
dem Bildungsministerium jede V erordnung exekutieren, die 
jeglicher pädagogischen Vernunft widerspricht. In einer auf- 
Wie die Schwä- 
chen unseres 
Schulsystems in 
Notzeiten noch   
offensichtlicher 
werden 
Peter Fischer 
Das österreichische Bildungssystem in Zeiten von Corona Corona
	        

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