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Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2020-04

Bibliografische Daten

fullscreen: Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2020-04

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Kultur
Untertitel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft
Publikationsort:
Dornbirn
Verlag:
Verein KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048
Strukturtyp:
Band
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2020-04
Veröffentlichungsjahr:
2020

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048_2020_04

Artikel

Strukturtyp:
Artikel
Autor:
Füßl, Peter
Titel:
Jazz lebt von Kommunikation und Live-Erlebnis
Beteiligte Personen:
Füßl, Peter

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Kultur
  • Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 2020-04
  • Titelseite
  • Inhaltsverzeichnis
  • Corona-Krise - weit mehr als eine Krankheit
  • "Wir merken, wie sensibel das Gesamtgefüge ist"
  • Warten auf das Publikum
  • So geht exponentiell
  • Geschlossene Theater
  • Ohne live erfahrbare Musik verdorrt die Seele
  • "Das Land steht zu den Kulturveranstaltern ..."
  • Musik als sinnstiftendes Überlebensmittel
  • Corona und die Zukunft
  • Ausstellungshäuser scharren in den Startlöchern
  • "Von 120 auf null, ansatzlos!"
  • Shutdown setzt Vorarlbergs Museen teils schwer zu
  • Abgesagte Kulturfestivals
  • Jazz lebt von Kommunikation und Live-Erlebnis
  • Die Serengeti und das Große Walsertal
  • Wissen Sie noch, was am 8. März 2020 los war?
  • Von "Akurat" bis "Dornbirn plus" - alle ehren die Barockbaumeister
  • Bäume wie Rasierpinsel
  • Ein Lied geht um die Welt
  • Bildung durch digitale Kulturarbeit
  • Wie die Schwächen unseres Schulsystems in Notzeiten noch offensichtlicher werden
  • Ein Konzeptalbum zu Ehren der alten Scheiben
  • CD-Tipps
  • Vorletzte Seiten

Volltext

39 Kultur Mai 2020 
- einige Labels, Tonstudios, Veranstalter usw. werden das hier nicht 
überleben. “ Plan B hat David Helbock bislang noch keinen, kann 
sich aber auch vorstellen, notfalls von z uhause aus via Skype 
zu unterrichten – sein erstes Piano-Tutorial-Video, auf dem er 
einige seiner Klaviertricks verrät, hat er bereits fertiggestellt. 
Die zahlreich en Reisebeschränk u ng en sind für Hel bock auch 
aus pr ivaten Gr ünden problematisch. Er selber hat den Haupt- 
wohnsitz in Österreich und pendelt regelmäßig zwischen 
Wien, V orarlberg und Berlin, wo seine Frau arbeitet. „Ich kann 
sie nicht mal besuchen, wenn sie wieder in Berlin ist - wer hätte vor 
zwei Mon aten daran gedacht, dass die Grenzen zu Deutschland je- 
mals geschlossen sein könnten. Aber ich muss ehrlich sagen, dass 
ich im Vergleich zu manchen meiner Kollegen wirklich auf einem 
hohen Niveau jammere. Ich habe letztes Jahr über 150 Konzerte 
gespielt, mir ist sowieso alles etwas zu viel geworden. Ich habe mir 
immer wieder überlegt, ob ich nicht eine kleine Pause machen soll.“ 
Natürlich fällt diese Zwangspause jetzt deutlich zu lange aus, 
zumal auch die bereits fixen Pläne für ein neues Album bei 
ACT verschoben wurden: „Seit ich 19 bin, kommt fast jedes Jahr 
ein neues Album von mir heraus, immer verbunden mit Präsenta- 
tionskonzerten und Touren. Ich bin immer von einem Projekt zum 
nächsten gesprungen, habe Neues entwickelt und dann konkret für 
die Aufnahmen und Konzerte ge übt. Jetzt so ohne konkretes Ziel vor 
Augen zu üben, das muss ich erst wieder lernen.“ 
David Helboc k hat im April sein Konzert am Spielbod en als 
Live-Stream angeboten – vor leerem Saal, aber trotzdem vor 
300 Leuten gespielt. „Es war eine komische Erfahrung für mich, 
aber auch irgendwie toll. Wenn man weiß, dass viele Leute live 
dabei sind, fühlt es sich anders an, als wenn man im Studio alleine 
eine Aufnahme macht - man spürt irgendwie die Energie. Trotzdem 
bin ich da zwiespältig. Im Mom ent stellen viele ihre Musik ins Inter- 
net, sei es als Stream oder als Facebook/Youtube-Video, meistens 
gratis. Wir Musiker mü ssen aufpassen, dass das nicht zu inflationär 
wird, dass nicht Politiker und Publikum das Ge fühl bekommen, dass 
Musiker ja eh so auch spielen und davon leben können. Ich sehe 
nämlich nicht, wie das gehen sollt e. Musik muss – solange wir nicht 
in einem anderen System z.B. mit bedingungslosem Grundeinkom- 
men leben – auch etwas kosten. Der Supermarkt verschenkt ja auch 
keine Lebensmittel, nur weil gerade Krise ist. Aber ich habe auf das 
Spielboden-Konzert wirklich tolle Reaktionen bekommen - aus der 
ganzen Welt.“ Alfred 
Vogel: „Mir ist das 
alles zu unverbindlich 
und flüchtig“ 
Alfred Vogel wurde zum 
ersten Mal Anfang Februar 
auf einem Flug nach Portu- 
gal mit dem Corona-Virus 
konfrontiert, als alle asiati- 
schen Fluggäste gezwungen 
wurden, einen Mundschutz 
zu tragen. Das Konzert mit 
Blechbaragge in Porto lief 
dann aber doch sehr ent- 
spannt. „Genau an dem Wo- 
chenende, wo hier dann alles 
losging, wollte ich eigentlich das Programm der Bezau Beatz ver- 
künden, an dem ich drei Monate lang gearbeitet hatte. Ich habe 
damit gezögert, aber jetzt ist ohnehin klar, dass wir die BB 2020 
nicht durchführen können. Unser Festival in der Remise des Wäl- 
derbähnles und in diversen Side-Locations lebt von der Nähe zwi- 
schen Künstlern und Publikum. Das macht das Festival so besonders 
- der kleine Rahmen, die akustisch interessanten Räume. Ich kann 
mir nicht vorstellen, wie ich in der Remise 20 
m2 
pro Gast garan- 
tieren sollte. Dann finden auch nur gefühlte 20 Leute Platz. Viel- 
leicht machen wir im Herbst ein paar Konzerte unter dem Label 
Bezau Beatz. Die Ironie ist, dass ich heuer vor der 13. Ausgabe des 
Festivals so ein Gefühl hatte bzgl. die ser Zahl, die ja, je nach Kultur- 
kreis Glück verheißt oder eben das Gegenteil. Nun wird es wohl nie 
zu einer 13. Ausgabe in der gewohnten Form kommen.“ 
Aber auch als Musiker gehen Alfred Vogel schöne Projekte 
verloren. So hätte er das neue Album seines Trios Hang Em 
High in Polen, in Italien und beim XJAZZ Festival in Berlin 
präsentieren k önnen. Ob die Tour im Herbst nachgeholt wer- 
den kann, scheint auch fraglich. „Im Moment ist diesbezüglich 
Stillstand. Live-Musik in unserer bevorzugten Form wird wohl län- 
ger nicht möglich sein“, bedauert Vogel. „Natürlich ist die Sit ua- 
tion für sehr viele Jazzmusiker , die nicht in einer so glüc klic hen Lage 
sind wie ich, existenzbedrohend. Wenn keine Gigs da sind, fehlen 
die Einnahmen. Zum Glück höre ich aus Österreich, Deutschland 
und der Schwei z, dass die Musiker und Künstler vorläufig gut auf- 
gefangen werden. Viele genießen die Zeit sogar, sind kreativ und 
üben viel. Es ist auch im Netz viel los – aber das ist für mich alles 
fragwürdig, denn wirtschaftlich hat das keinen Nutzen. Ich sehe das 
eher als Therapie und Zeitvertreib. Mal schauen, wenn die Sache so 
weiterläuft, müssen wir Künstler neue Wege finden. Aber davor 
graut mir eigentlich. Ich liebe es, live zu spielen - auch nur für ein 
paar Menschen, die im selben Raum aufmerksam zuhören.“ 
Die geschlossenen Grenzen sind für Vogel höchst problema- 
tisch, weil er mit seinen Projekten in Vorarlberg nicht so oft 
spielen kann und auf Auslandsreisen angewiesen ist. Aber 
auch die Bezau Beatz würden schon allein dadurch ver unmög - 
licht, dass sowohl die Bands als auch das Publikum zu einem 
beachtlichen Teil aus dem Ausland kommen. Heuer waren 
Bands aus Frankreich, Südamerika, den USA, Litauen und Por- 
tugal ei ngel aden. 
Viele seiner Kollegen sind sehr aktiv in den sozialen Netz- 
werken: „Es gibt da tolle Beiträge und solche, die eher peinlich sind 
… aber das liegt wahrscheinlich an der Verzweiflung. Ein paar Freun- 
de sind relativ entspannt, und als Künstler ist man grundsätzlich 
sehr selbstreflexiv und kritisch. Es liegen ja auch Chancen in der 
Krise. Insgesamt kommt eine Flut an Kreativität daher, weil alle 
zuhause sitzen, üben, recorden, live-streamen – aber ich mache da 
im Moment weniger mit. Mir ist das alles zu unverbindlich und 
flüchtig. Ich bin sehr zurückhaltend und denke, dass wir alle noch 
Zeit brauchen, um wirklich zu erfassen, was hier vor sich geht. Es 
schaut in der Tat so aus, dass diese Krise nicht nur vorübergehend 
einschneidende Veränderungen bringt – sozial, ökonomisch und 
was unsere Kultur betrifft. Wir müssen uns wohl alle zurechtfinden, 
und werden dann irgendwann auch diese Zeit in großartige Kunst 
und Musik verarbeiten. Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ 
Bis es soweit ist, vertreibt sich Alfred Vogel die Zeit wie üb- 
lich in seinem Studio, wo er mit seiner Tochter Irma zwei ihrer 
Songs produziert hat, mixt Aufnahmen, kümmert sich um sein 
Label Boomslang Records, übt an den Instrumenten. Und weil 
seine Frau ger ade sehr beschäftig mit der Zuk unft des "Hotel 
Post" ist, kocht er zweimal am Tag für die Familie.  �
	        

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