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Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1990-05

Bibliografische Daten

fullscreen: Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1990-05

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Kultur
Untertitel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft
Publikationsort:
Dornbirn
Verlag:
Verein KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048
Strukturtyp:
Ausgabe
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1990-05
Veröffentlichungsjahr:
1990-05-01

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048_1990_05

Artikel

Strukturtyp:
Artikel
Autor:
Füßl, Peter
Titel:
New Age-Psychosen: Interview mit Dr. Josef Amann
Beteiligte Personen:
Füßl, Peter

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Kultur
  • Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1990-05
  • Titelseite
  • Kauf Dir Dein Bewußtsein!
  • Inhaltsverzeichnis
  • Die Einweihungs-Diskonter
  • New Age-Psychosen: Interview mit Dr. Josef Amann
  • Das Gift wird zur Arznei: Homöopathie und die sogenannte Esoterik
  • Interview mit Ven. Gonsar Tulku
  • Aufgelesene Buchenstäbe oder: Kleines postmodernes Praktikum der Bibliotherapie mit 52 entwurzelten Zitaten
  • Neue Mystik oder sanfte Verblödung?
  • Heimlichkeiten statt Geheimnis Recherchen über das "Engelwerk"
  • Zwischen allen Fronten: Aufstieg und Fall des Arbeiterfunktionärs Meinrad Hämmerle
  • Fremd sein ist ein Witz: Look, listen and love
  • Schubertiade-Troubles: Interview mit Gerd Nachbauer
  • Die Getzner-Saga
  • Der literarische Beitrag: Wolfgang Lanik - Buch des Lebens oder Aus den Märchen des Doktor Faustus
  • Neue Bücher
  • Yabanda - In der Fremde - Utudjini
  • Reaktionen
  • Die vorletzte Seite

Volltext

KmilAfL 
9 
20 Prozent der stationär aufgenom 
menen Jugendlichen betroffen sind. 
KULTUR: Es werden eine ganze Menge 
Kurse angeboten, deren Ziel es 
ist, daß das individuelle Bewußt 
sein des Teilnehmers in einem kos 
mischen Bewußtsein aufgeht. Kann 
es Vorkommen, daß das Bewußtsein 
auf dem Weg vom Individuum zum 
Kosmos gänzlich verlorengeht? 
AMANN: Wenn diese Denkweisen in 
Ausnützung bestimmter Ängste wei 
ter zunehmen, werden wahrschein 
lich auch in der psychiatrischen 
Klientel immer mehr Patienten mit 
solchen ins Wahnhafte gesteigerten 
Vorstellungen anzutreffen sein. In 
Anbetracht der vorhin genannten 
ecclesiogenen Neurosen muß man 
festhalten, daß gerade die Groß 
kirchen selber im Laufe ihrer Ge 
schichte eine gewisse kritische 
Funktion demgegenüber gefunden ha 
ben. Wobei andrerseits aber wieder 
sehr suspekte Praktiken besonders 
auf dem Gebiet der sogenannten 
Privatoffenbarungen und bei klei 
neren, fast sektirerischen Gruppen 
gefunden werden. Der zunehmende 
Umfang solcher in der alten Nomen 
klatur als sektirerisch einzustu 
fenden religiösen Gruppen wird die 
Gefahr verschärfen. Und die Ju 
gendlichen, die auf der Suche nach 
ihrer Identität und ihrer Bezie 
hung zur Umwelt sind, sind von 
diesen neuen Lebens- und Weltge- 
fühlen anbietenden Gruppen sehr 
stark betroffen. 
KULTUR: Aus der Sicht des Wissen 
schaftlers dürften sich manche Ge 
pflogenheiten in der Kirche, etwa 
der Exorzismus, von irgendwelchen 
Geisterbeschwörungen im Voodoo- 
Kult ja nur wenig unterscheiden? 
AMANN: Ich bin in der Beantwortung 
dieser Frage nicht fachkompetent, 
aber ich meine eine Tendenz in der 
Kirche zu beobachten, daß diese 
Strömungen wieder eine größere Be 
deutung finden - vielleicht auch 
etwas verdeckt unter dem, was man 
als sogenannte fundamentalistische 
Tendenzen bezeichnet. Aber ich 
hoffe, daß die Kirchenleitung sel 
ber genügend Selbstreinigung be 
treiben kann. Jedenfalls sind bei 
uns unter den psychotischen und 
unter den neurotischen Patienten 
immer wieder solche, die mit reli 
giösen Ideen größte Schwierigkei 
ten haben. Wieweit diese Ideen vom 
Patienten selber in einer Weise 
verzerrt werden, daß sie auch vom 
kirchlichen Lehramt nicht mehr ak 
zeptiert würden, kann ich nicht 
beurteilen. 
KULTUR: Was geschieht nun mit sol 
chen Problemfällen, die zu ihnen 
gebracht werden? Wie, werden die 
behandelt? 
AMANN: Bei schweren psychotischen 
oder depressiven Zuständen muß man 
zuerst oft medikamentös behandeln. 
Man muß die Patienten sozusagen 
von ihren "ekstati sehen"Zuständen, 
in denen sie nicht ansprechbar 
sind, herunterholen. Dann folgt 
die wichtige und meist sehr lang 
wierige Aufgabe, sie in psychothe 
rapeutischen Gesprächen auf eine 
Distanz zu diesen ihnen sehr ab 
träglich gewesenen Übungen, Ritua 
len, mentalen Praktiken oder Medi 
tationen zu bringen. Das ist sehr 
schwierig, weil sich eben in die 
sen Kreisen oftmals ihre wichtigen 
Bezugspersonen befinden. Wenn sie 
es aber nicht lernen, sich davon 
fernzuhalten, ist zu befürchten, 
daß diese meist sehr stark mit 
Angst besetzten Zustände wieder 
auftreten werden. 
KULTUR: Wären da nicht vorbeugende 
Aufklärungskampagnen sinnvoll. Daß 
man beispielsweise den Schülern 
erklärt, worum es bei den ver 
schiedenen Praktiken geht und wor 
in die Gefahren bestehen, damit 
zumindest der Reiz des Unbekann 
ten, die Neugier auf das Exotische 
einmal wegfällt? 
AMANN: Solche Aufklärungskampagnen 
sind sicher notwendig, allerdings 
glaube ich nicht an einen durch 
schlagenden Erfolg, weil beim Auf 
brechen solcher Gedankenwelten die 
Gesamtsituation in der sich eine 
Kultur befindet von größter Bedeu 
tung ist. Das hängt von histori 
schen Umbruchsituationen ab, die 
sich durch Aufklärungskampagnen 
kaum beeinflussen lassen. Und es 
wird wohl kaum in großem Umfang 
möglich sein, mit rationalen Argu 
menten gegen diese aus dem Irra 
tionalen entspringenden Praktiken 
erfolgreich aufzutreten. Das funk 
tioniert eher beim einzelnen, mit 
dem man ziel führende Gespräche 
führen kann, und der schon - wie 
unsere psychiatrischen Fälle - ne 
gative Erfahrungen gemacht hat. 
Ganz sicher wird man mit Verboten 
nichts ausrichten, da diese den 
Reiz nur erhöhen. Es wird sicher 
wieder einige Zeit brauchen, bis 
eine Bewußtseinsänderung eintritt 
und auch diese Strömungen wieder 
ihre Kraft verlieren. Das ist, wie 
erwähnt, im Lauf der Geschichte 
schon öfters vorgekommen. 
KULTUR: Danke für das Gespräch. 
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