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Höhgauer Erzähler, Jg. 1848 (7)

Bibliografische Daten

fullscreen: Höhgauer Erzähler, Jg. 1848 (7)

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Archive im Landkreis Konstanz
Titel:
Höhgauer Erzähler. Verkündigungs-Blatt für die Großh. Amtsbezirke Engen und Radolfzell
Publikationsort:
Engen
Verlag:
Anton Roos

Physikalischer Standort:
Verbundzentrale des GBV (VZG), Göttingen
Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=344181-7
Strukturtyp:
Zeitschriftenband
Sammlung:
Archive im Landkreis Konstanz
Titel:
Höhgauer Erzähler, Jg. 1848
Band, Heft, Nummer:
7
Publikationsort:
Engen
Veröffentlichungsjahr:
1848
Verlag:
Anton Roos
Größe der Vorlage:
21,0 x 25,1 cm

Physikalischer Standort:
Verbundzentrale des GBV (VZG), Göttingen
Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=344181-7_1848

Kapitel

Strukturtyp:
Kapitel
Titel:
Zeitungen

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Höhgauer Erzähler. Verkündigungs-Blatt für die Großh. Amtsbezirke Engen und Radolfzell
  • Höhgauer Erzähler, Jg. 1848 (7)
  • Zeitungen

Volltext

Höhgauer Erzüähler. 
Nno. F. Samstag, 1. Januar 1848. 
Eine Sturmnacht auf den Halligen. 
(CVon Theodor Mügge.) 
An einem schönen Septembertage des Jahrs 1845 war 
sch in den Marschen der Friesen, die an der Westküste des 
Herzogthums Schleswig von Husum bis Tondern nördlich 
fortziehen. — Marschen nennt man die fetten, fruchtbaren 
Tiefländer, welche von allen Seiten gegen die Meereswogen 
zurch hohe Deiche geschützt werden und zwischen diesen mit 
ihren reichen, herrlichen Saaten und leuchtenden Wiesen, 
wie zwischen nugeheuern Festungswällen ruhen. Ein un— 
heimliches Gefühl beschleicht den Reisenden, wenn er auf 
den Kronen dieser hohen Deiche steht, wo zu seiner Linken 
der Schaum der brandenden Wellen zu ihm heraufspritzt, 
waͤhrend er weit über ein sturmgepeitschtes, tobendes Meer 
blict und dann zu seiner Rechten die grüne gesegnete Ebene 
liegt, wo blanke Rinderschaaren sich im Grase strecken, wo 
der goldene Weizen in unabsehbaren Feldern wogt und Schafe 
und Pferde um die Hügel weiden, auf denen die Menschen 
in Glück und Wohlstand, zwischen Blumen und Gebüschen 
ihre friedlichen Häuser gebaut haben. — Auf der einen 
Seite segelnde Schiffe, die über schwarze, schlammige Wasser 
DSten; in der salzigen Tiefe Fische, Seebunde nnd häßliche 
Rochen, wild schreiende Mövenschwäͤrme darüber; auf der 
andern Seite aber das sonnige Grün, das Menschenleben, 
——— 
Deiche bräche, wenn es der Sturmfluth gelänge, ihn zu 
durchwühlen, oder mit ungeheuren Wogen über seine Kro⸗ 
nen wegzustürzen, würde in wenigen Minuten der Segen 
sich in Fluch, das Leben in grausamen Tod umwandeln, 
die Marsch ein Meer seyn, auf dem die Leichen der Men⸗ 
schen und Thiere und die zerstörten Trümmer ihres Glücks 
wild durcheinander trieben. 
Aber wie oft ist dies nicht schon geschehen! Wie oft. gin⸗ 
gen viele tausend Menschen Abends froh zu Bett, um nie 
wieder aufzustehen! Denn dies Meer, welches jetzt seine Wel—⸗ 
len leise grollend über die strohgestickten Deich-Bettungen 
walzt, steigt bei Sturmfluthen dreißig, ja vierzig Fuß hoch 
davor empor. Auf hundert Meilen brüllt dann der Was⸗ 
erberg heran und schlägt und wäscht mit fürchterlicher Kraft 
an diese Bollwerke. — In früherer Zeit, als sie noch nicht 
so groß und stark waren, wie jetzt, überstieg er sie oft in 
Zeit weniger Minuten, und wenn der Morgen kam, war 
alles Leben vernichtet. Jetzt geschieht das seltener; doch wenn 
du in die Marsch hinunterblickst, die von zahllosen Gräben 
durchschnitten ist, in welchen sich die Wasser sammeln und 
über welche nur der Marsch-Bewohner mit Hilfe seines 
langen Springstocks zu setzen vermag, wenn du die Schleu⸗ 
sen und künstlichen Werke betrachtest, welche die eindrin— 
genden Fluthen wieder hinausschaffen, wenn du siehst, wie 
nchß und weich der Boden ist, und wie die Häuser, welche 
vereinzelt über die Marsch zerstreut sind, jedes auf einen 
künstlichen Hügel erbaut, der die Warft genannt wird, 
vie umbuschte Inseln aus einem Meere von Gras und Schilf 
rufragen, so meinst du gewiß, es könne der Mensch hier 
och jetzt wohl keine Nacht ruhig schlafen, ohne fürchten zu 
nüssen, vom Donner der Fluth, die an seine Schwelle 
chlägt, geweckt zu werden. 
Aber die Bauern in der Marsch sind ein kühnes Ge⸗ 
chlecht und so stolz auf ihr reiches Land, daß sie alle Be⸗ 
vohner der Höhen, der Geest, wie diese genannt werden, 
nit einer gewissen Geringschätzung betrachten, so daß ein 
ilter Bauer einst zu seinem reiselusigen Sohn sagte: „Mein 
Zohn; dies ist die Marsch, die ganze übrige Welt ist nur 
Heest, was willst du Narr also in's wüste Land hinaus ge⸗ 
en?? — und wie jener Bauer, so denken die meisten. — 
ghre Häuser, geräumig und von Backsteinen gebaut, zeu⸗ 
zen eben so wohl von ihrer Wohlhabenheit, wie von dem 
Reinlichkeitssinn, welcher Friesen und Sachsen, gleich den 
Zollaͤndern, auszeichnet. Die Wände der Zimmer sind glän— 
end weiß, die Decken von Holz mit blauer oder rother Oel⸗ 
arbe bestrichen, die Fenster mit großen Glasscheiben lassen 
jelles Licht herein. Alles athmet Sauberkeit und Sorgfalt. 
Die Tische und Dielen sind so blank gescheuert, die Stühle 
nit Kissen von Seegras belegt, Kupferstiche in Rahmen 
ängen an den Wänden, eine altä Gehäuse-Uhr, die von 
hroͤßvater auf Sohn und Enkel erbte, hat zwischen den 
Schildereien ihren Platz, und im Pesel, dem großen Raume, 
der zur Sommerzeit das Wohn- und Gastzimmer bildet, 
ehen die machtigen messingbefchlagenen Kisten, welche den 
einen⸗ und Bettenschatz enthalten, oder schöne alte Schränke, 
nit Holzschnitzwerk bedeckt, die Zeugniß geben, daß in frü⸗ 
rerer Zeit schon die Holzschnitzkunst hier wohlbekannt und 
„ochgeachtet war. So sind die Häuser in der Marsch auf 
Hen Waꝛften meist behagliche Gebäude mit langen Fenster— 
reihen, und man merkt es ihnen nicht an, daß mitten in ih⸗ 
em Mauerwerk dicke Pfähle tief in die Warft eingerammt 
ind. Diese Pfähle tragen das Dach des Gebäudes und 
ind dazu bestimmt, daß wenn Sturmfluthen einbrechen und 
zen Steinbau wegichlagen, der ihrer Wuth nicht zu wider⸗ 
tehen vermag, doch die Holzbalken in der Warft wohl ste⸗ 
„en bleiben mögen, auch das Dach mit ihnen, auf welches 
ich die Bewobner retten können, und diese Einrichtung hat 
chon vielen Menschen das Leben erhalten. — Aber an nichts 
nerkt man so sehr, daß man bei einem Volksstamme ver⸗ 
veilt, der auf dem Meere heimisch, an dessen Küsten oder 
Inseln seßhaft ist und eher Schiffe besaß, als Häuser, als 
in den Lagerstätten, denn diese sind noch ganz so eingerich⸗ 
et, wie manñ sie auf Schiffen findet. — In Holzverschlä⸗ 
jen an der Wand sind sie angebracht und werden mit Schie— 
zern zugeschoben, so daß man bei Tage nichts davon ge⸗ 
vahr wird. Da liegen die Marsch-Bewohner warm und 
unkel und wenn der Sturm weht, wenn das Meer dumpf 
aust und das Gebäude ächzt und knarrt, träumen sie von
	        

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