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Hegauer Erzähler. Verkündigungs-Blatt für den Großh. Amts- und Amtsgerichts-Bezirk Engen, Jg. 1906 (66 [65])

Bibliografische Daten

fullscreen: Hegauer Erzähler. Verkündigungs-Blatt für den Großh. Amts- und Amtsgerichts-Bezirk Engen, Jg. 1906 (66 [65])

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Archive im Landkreis Konstanz
Titel:
Hegauer Erzähler
Publikationsort:
Engen
Verlag:
Theophil Schneider's Buchdruckerei

Physikalischer Standort:
Verbundzentrale des GBV (VZG), Göttingen
Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=3066108-0
Strukturtyp:
Zeitschriftenband
Sammlung:
Archive im Landkreis Konstanz
Titel:
Hegauer Erzähler. Verkündigungs-Blatt für den Großh. Amts- und Amtsgerichts-Bezirk Engen, Jg. 1906
Band, Heft, Nummer:
66 [65]
Publikationsort:
Engen
Veröffentlichungsjahr:
1906
Verlag:
Theophil Schneider's Buchdruckerei
Größe der Vorlage:
28,0 x 39,8 cm

Physikalischer Standort:
Verbundzentrale des GBV (VZG), Göttingen
Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=3066108-0_1906

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Hegauer Erzähler
  • Hegauer Erzähler. Verkündigungs-Blatt für den Großh. Amts- und Amtsgerichts-Bezirk Engen, Jg. 1906 (66 [65])

Volltext

13—— — 
R —— 2 699 —2 
—XX 
— — 2 — 
1 
SGescheint wöchentlich drei mal 
— ez und Freuung. 
xeis vierteljährlich Vd. 20 Pfgq. 
frei ins Haus 1 R. 74 Pfg. 
att. 
aen Aummer: 
*22 VUAr. 
hieeutipen Nummer liegt der 
rodoer für 1906 
ils Gratisbeilage bei. 
Bestelluugen aus den „Hegauer Erzähler“ 
önnen noch bei sämtlichen Poftstellen sowie bei 
ansern Austrägern und bei der Expedition gemacht 
verden. 
An unsere Leser! 
Die Verhandlungen des badischen Laudtages 
jaben nach seiner neuen Zusammensetzung, sowohl 
n der ersten, wie in der zweiten Kammer, 
ine erhöhte Bedeutung gewonnen, so daß viele 
Zeitungsleser über dieselben gern noch ausführ⸗ 
licher unterrichtet sein möchten, als es der nor⸗ 
nale Raum des Zeitungsberichtes zuläßt. v 
Um diesen Wunschen zu entsprechen, haben wir 
nit dem Verlag der „Karlsruher Zeitung“ ein 
Ablommen getroffen, wonach wir in der Lage 
ind, nuseren Abonuenten die offiziellen 
ausführlichen stenographischen Laudtags⸗ 
berichte der II. Kammer für die ganze Tagung 
des Landtages 1905/06 gegen Zahlung von 
1. Mark nebst Bestellgeld und Postgebuͤhr zu 
iefern; die natürlich beträchtlichen Mehrkoflen pro 
kxemplar übernehmen wir auf unsere Rechnung. 
Wir ersuchen diejenigen unserer Leser, die von 
dieser Vergünftigung Gebrauch machen wollen, 
uns die Bestellung umgehend unter Beischluß 
der Abonnementsquittung und genauer Augabe 
jhrer Adresse aufgeben zu wollen. Die Expe⸗ 
dition dieser Landtagsbeilage erfolgt direkt 
von Karlsruhe, damit unsere Besteller möglichst 
zasch in den Besitz der Berichte kommen. 
Ungeachtet dieser Sonderausgabe werden die 
kleineren übersichtlichen Landtags— 
berichte wie seither im „Hegauer Erzähler“ 
weiter erscheinen, sodaß auch diejenigen 
deser, welche die ausführliche Landtagsbeilage nicht 
heziehen wollen, über die Verhandlungen des Land⸗ 
lages und die Vorgänge in der Kammer nach wie 
vor unterrichtet werden. —— 
Aedaltion des Hegauer 6rzähler“ 
Die zorgänge in Liptingen 
In Liptingen im Amt Stockach sind in letzter 
Zeit um den Quartal swechsel Dinge passiert, 
die weit über die Grenzen des Dorfes und seiner 
Umgebung hinaus Aufsehen erregt haben. Fur Leute, 
die das politische Leben in letzter Zeit aufmerk⸗ 
am verfolgt haben, sind die Vorgänge in Liptingen 
reilich wicht uͤberraschend gekommen, sie sagen mit 
Recht: so mußte es tomment! 
„Der Pfarrer von Liptingen, Schäfer mit 
Ramen, ift einer von jenen ponlifierenden Geifi 
ichen, die im der Erregung der poutischen Wahl⸗ 
ampfe alle Ruhe undUeberlegung verloren 
ind sich selbst in einen maßlosen Fanatismus 
hineingearbeitet haben, der keine Grenzen mehr 
ennt und in Gewalltätigkeit ausartet die das 
länbige katholische Voit zur ofsenen Auflehnung 
gegen den Ortspfarrer treibt. — 
Unsere Lefer erinnern sich, daß der Pfarrer 
on Liptingen vor Weihnachien der Frau des 
vortigen Polizeidieners die Kommunion vderweigert 
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*7 — —— 55 
—— — — — 
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oman· Reilage jeden Rontag und Ane 
Eustriertes Auterkaltunosblatt jeden reitas 
4 
Telephou Nr. 8. 
—8 E ete “ 
Engen, Mittwoch 3. Januar 1900 3ee eereez 66. Jahrgang. 
q¶ Bei arßßeren Aufträͤgen y— 
zat, weil ihr Mann, der Polizeidiener, den 
Nellenburger Boten“ in Liptingen austrägt, und 
em Verlangen des Pfarrers, den ‚Nellenburger 
Boten“ nicht mehr auszutragen, nicht Folge ge⸗ 
eistet hat. Die Frau hatte einem anderen Geist⸗ 
uüchen gebeichtet und die Absolution erhalten und 
vollte mit anderen Frauen am Morgen zur 
dommunion gehen. Der Pfarrer ging in der 
dirche zu der Frau hin und sagte ihr in der 
Zank, daß sie ihm nicht an die Kommunionbank 
ommen dürfe, solange ihr Mann den Nellen⸗ 
zurger“ austrage. Die Frau ließ es auf Zureden 
inderer Frauen darauf ankommen und ging mit 
hen andern vor zur Kommunionbank und wurde 
— abgewiesen. 
Dieses Vorgehen des Pfarrers hat in der Ge⸗ 
neinde begreifliche Entrüstung hervorgerufen. Eẽ 
var aber nicht das einzige, was der Pfarrer tat. 
Fr suchte auch außerhalb der Kirche mit allen 
Nitteln die Zentrumsprefsse einzuführen und den 
iberalen „Nellenb. Bt.“ zu verdrängen. Er be⸗ 
äftigte, wie der Nellenb. Bt.“ berichtet, die Leute 
n den Häusern, drohte den Frauen, ihnen nicht 
nehr Beicht zu hören, wenn der Nellenb.“ noch 
m Hause gehalten werde, nötigte den Leuten in 
der zudringlichsten Weise die Freie Stimme“ auf, 
am ins Haus und forderte kategorisch dem Mann 
der der Frau das Abonnementsgeld ab, u. s. w. 
Im Sonntag, den 17. Dezember brachte es der 
Zsarrer im Hauptgottesdienst zu einem förmlichen 
zkandal. Stait der Predigt sprach er über die 
dommunionverweigerung. Er sagte it. „Nellenb.“, 
venn die Frau des Polizeidieners eine anständige 
berson wäre, wäre sie nicht mehr an die 
dommunionbank getreten, nachdem ihr der 
Pfarrer solches verboten hatte; solche Frechheiten 
önnten nur in Liptingen vorkomen. Unter den 
ur Andacht Versammelten entstand eine sichtlicht 
frregung und laute Unruhe. Darauf schrie der 
Farrer gegen die Empore: „Wißt ihr nicht, daß 
ch Euch anzeigen kann! Ich weiß wohl, daß der 
Polizeidiener jetzt gegen mich Unterschriften 
ammelt. Mir ist es aber gleich, wenn ich morgen 
chon von hier fort komme. Da hab ich es wie 
nein Hund, zu dem ich gestern abend sagte: 
Schlaf nur Spiher, ich mach's auch so. — Besser 
ils Unterschriften sammeln wäre es für den 
Zolizei und sein Weib (allgemeines Gelächter!) 
ie gingen in die Kirche. Dann sagte der Pfarrer 
der neue Meß ner muß aufpassen, wer mehr⸗ 
nals hintereinander die Kirche nicht besucht, denen 
verde ich es machen, wie dem Polizeidiener und 
eim Weib.“ Aus den Männerbänken fruft 
nan: Wenn der jetzt nicht aufhört, dann gehen 
vir! — Pfarrer: Ich bin zu stark aufgeregt, ich 
will aufhören. * 
Das ungefähr sind die Liptinger Vorgänge, wie 
ie der „Nellenb. Bote“ nach den Berichten von 
lugen⸗ und Ohrenzeugen schildert. Die näch ste 
Folge des standalösen Kuftretens des Pfarrers 
var, daß 148 katholische Bürger von 
diptingen eine Erklärung unterzeichneten, des 
Inhaltes: 
„daß sie fich den Vergewaltigungen des 
Pfarrers Schäfer dadurch entziehen, daß sie 
nicht mehr in die Kirche gehen, so— 
ange dieser Herr Gottesdienst hält und einen 
iltkatholischen Geistlichen kommen 
lassen werden, wenn nicht alsbald Wandel 
geschaffen wird.“ 
So bedauerlich die Vorgänge in Liptingen an 
ich find, so erfreulich berührt andererseits das 
nannhafte Auftreten der Bürger von Liptingen, 
ie sich gegen die Vergewaltigung der Gewissens⸗ 
reiheit und die Entwürdigung des Gotteshauses 
urch den Pfarrer zur Wehr setzen mit einer Er⸗ 
lärung, die bei der Kirchenbehörde gewiß ihre 
Virkung nicht verfehlen wird. 
Interessant ift die Haltung der Zentrums⸗ 
»resse in der Lipünger Angelegenheit. Die 
Freie Stimme“, in deren Dienst sich der 
2 
— 
Pfarrer Schäfer so hineingeritten hat, nimmt den 
Pfarrer in Schutz. Im „Badischen Beobe— 
achter“ dem Hauptorgan der Zentrumspartei 
bespricht Herr Wucker unter seinem *Zeichen die 
Liptinger Affaire in einer Weise, die zeigt, daß 
nun in den Reihen des gebildeten Klerus, 
die Sache anders beurteilt, als die „Freie Stimme“. 
Es heißt wörtlich im „Beobachter““ 
„Den Stockacher Fall, der im Orte Liptingen sich zuge— 
rragen hat, hielten wir für unmöglich. Es schien 
ins undenkbar, daß ein Priester aus vielen Personen 
seraus, die an die Kommunionbank wollen, eine einzelne 
Jerausruft, sie auffordert, wegzubleiben, weil ihr —* 
ein — allerdings niht e — Blatt herumträgt, 
aund ihr dann die hl. Kommunion verweigert, da sie sich 
nicht zufrieden geben will. Wie wir uns auf Grund zu⸗ 
d see Mitteilungen überzeugten, ist das an— 
scheinend Unmögliche tatsächlich vorge⸗ 
ommen. Ehe wir eine nähere Mitteilung über deu 
herrn Pfarrer von Liptingen hatten, haben wir unsere 
leberzeugung dahin ausgesprochen, daß es sich um 
rankhafte Ueberreizung des in Frage kommen⸗ 
en Priesteas handeln müsse. Wie wir von Iet zuver⸗ 
ässiger Seite mitgeteilt erhalten haben, ist der fragliche 
Zerr ein tadelloser, gewissenhafter und eifriger Priester. 
Es kann also das Vorkommnis nur so zu erklären sein, 
wie wir eben sagten. Unumwunden muß zuge— 
geben werden, daß es nur mißbilligt 
verden kann. Wie wir von gleichfalls zuverlässiger 
Seite hören, ist der betreffende Herr in einem bedauerns⸗ 
verten Zustand krankhafter Nervenerregung, 
die es ungerecht erscheinen ließe, wenn man sein Auftreten 
—438 Falle so taxieren wollte, wie es an sich 
eint.“ 
us Rußland. 
Noch immer scheint die Reihe überraschender 
alutiger Ereignisse in Rußland nicht abgeschlossen. 
die Regierung fährt zwar fort, der staunenden 
WBelt zu versichern, daß die Geschichte nun vorbei 
ei. Sie läßt durch ihre amtliche Telegraphen⸗ 
Agentur erklären, daß 
.„die revolutionäre Bewegung in 
Rußland gegenwärtig als gebrochen an⸗ 
gesehen wecden könne. Der völlige Zu—⸗ 
sammenbruch des Aufstandes sei die Frage 
einiger Wochen. Die revolutivnäre Bewegung 
sei vor der Gewalt zurückgewichen, noch 
mehr aber habe sie sich in den Augen der 
Bevölkerung in Mißkredit gesetzt.“ J 
Diese beruhigende Erklärung ftimmt leider gar 
richt mit dem tatsächlichen Stand der Dinge 
iherein. Um dieselbe Stunde, als man in Peters⸗ 
zurg die Revolntion amtlich für erledigt erklärte, 
jaben in Riga neue blutige Straßen— 
ämpfe stattgesunden, die Revolutionäre sollen 
inen großen Teil der Stadt, die Stadtduma, 
inige Regierungsgebäude und den Bahnhof in 
Besitz genommen haben. Der Telegraph ist zer⸗ 
tört. Viele Deutschen, die in den russischen 
flseeprovinzen als Geschäftsleute leben, sind um 
Hab und Gut gekommen, tausende deutsche Ar⸗ 
heiter brotloz geworden. 
In Moskan haben die Rebellen ein scheuß⸗ 
iches Verbrechen begangen, in dem sie den 
Ddirektor des Sicherheitsdepartements 
altblütig ermordeten oder, wie sie es nennen, 
zinrichteten. Das Gebände des Sicherheits 
epartements war bereits im Verlauf des Mitt⸗ 
voch zum Teil in die Luft aesprengt worden. 
In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag 
wurde der Direktor des Departements durch Re— 
„olutivnäre aus dem Schlaf geweckt, die 
hn aufforderten, sich von Weib und Kindern 
zu verabschieden, da seine Hinrichtung be—⸗ 
chlossen worden sei. Der unglückliche Mann 
sielt die Sache zunächst für einen Scherz und 
zat, als er sah, daß es den Revolutionären mit 
hrer Drohung ernst war, um sein Leben. Er 
rhielt zur Antwort: „Entweder nimmst Du Ab⸗ 
schied von Deiner Familie oder Du stirbst ohne 
das“. Der Verurteilte nahm darauf schnell Ab⸗ 
schied und wurde auf die Straße geführt, wo 
ihn erschoß und in einer Blutlache liegen 
itß. 
In Warschau, der Hauptstadt von Russisch⸗ 
bolen, versuchten die Revolutionäre das Beispiel 
»on Moskau nachzuohmen, Barrikaden zu er⸗
	        

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